Sorabji und die Orgel

By Kevin Bowyer (German translation by Wolfgang Kleber)


“A great composer, a great critic and a prince among men …”

—Hugh MacDiarmid

“… the teeming invention an fearlessness of Sorabji's crative energies led him on to write keyboard works which occupy not only entire programmes but programmes of musik-drama length … these require vast technical and mental resources of the player.”

—Alistair Hinton

“… that spirit of transcendental, exalted pessimism which is of the East eastern …”

—Kaikhosru Sorabji

Der Mensch und seine Musik

Kaikhosru Shapurji Sorabji wurde am 14. August 1892 in Chingford, Essex, geboren. Sein persischer Vater war Ingenieur. Er arbeitete als Brückenbauer, unter anderem in Bombay. Seine Mutter war Opernsängerin. So wuchs er in mehrsprachiger und multikultureller Umgebung heran. Er erhielt die ersten Klavierstunden bei seiner Mutter, doch er entwickelte seine phänomenale Klaviertechnik vorallem im Selbststudium der Werke von Bach, Czerny, Cramer, Chopin, Liszt, Alkan, Busoni (die Klavierübung) und Godowsky (Studien über die Etüden von Chopin). In dieser Zeit begann sein großes Interesse für zeitgenössische Komponisten wie Mahler, Reger, Busoni, Schönberg, Chausson, Rachmaninov, Medtner, Skrjabin, Albéniz und Granados, die vor dem Ersten Weltkrieg in England größtenteils ziemlich unbekannt waren — einige von ihnen auch noch bis zum Zweiten Weltkrieg. Durch das Spielen der Partituren auf dem Klavier erlangte er große Fähigkeiten und Kenntnisse in der internationalen Musikentwicklung.

Seine frühesten noch vorhandenen Kompositionen stammen aus der Zeit um 1915, viele seiner Aufsätze und Artikel (nicht nur über Musik) sind schon früher entstanden. So drängt sich der Verdacht auf, daß sein erstes musikalisches Berufsziel das eines Kritikers war. 1919, als Sorabji bereits vier Klavierkonzerte, einige Lieder und Klavierstücke — unter anderem die Fantaisie Espagnole — vorweisen konnte, traf er Ferruccio Busoni und spielte ihm seine Erste Klaviersonate vor. Auf Busonis Empfehlung konnte diese Sonate im Druck erscheinen. Es folgten vierzehn weitere Veröffentlichungen: zwei Liederbände, das Klavierkonzert Nr. 5, das erste Klavierquintett, die Orgelsymphonie Nr. 1 und einige Klavierstücke, gipfelnd in dem großen und zu Recht gefeierten Opus Clavicembalisticum (komponiert 1929–30, veröffentlicht 1931), das er dem schottischen Dichter Hugh MacDiarmid (1892–1978) widmete. Dieses Werk dauert etwa viereinhalb Stunden und wird heute als Sorabjis Meisterstück angesehen. Dabei sollte man aber nicht vergessen, daß viele der zahlreichen späteren Werke (einige sind beachtlich umfangreicher) bis heute noch nicht zu Gehör gebracht worden sind, zum Beispiel das „Opus Archimagicum“ (Sonate Nr. 5, 1934–35) sowie das längste Stück, die Symphonischen Variationen (1935–37). Trotz der Anerkennung seiner Kompositionen in der Musikwelt strebte Sorabji nach dem Opus Clavicembalisticum keine Veröffentlichung weiterer Werke an. Er war immer eine sehr private Persönlichkeit und suchte keine Anerkennung außer in einem sehr kleinen Kreis von Freunden, deren Urteil ihm jedoch viel bedeutete.

Als ausführender Musiker trat er immer nur widerwillig auf. Nie schrieb er mit der Absicht einer Aufführung. Dennoch trat er zwischen 1920 und 1936 gelegentlich öffentlich in London, Glasgow, Paris, Wien und Bombay auf. Er machte eine Rundfunkaufnahme für die BBC (1930) und zwei Aufnahmen mit Improvisationen in Bombay (1933). Immer spielte er nur eigene Werke. Im Dezember 1930 spielte er in der Stevenson-Hall in Glasgow die Uraufführung des Opus Clavicembalisticum. Sein letzter öffentlicher Auftritt als Pianist war im Dezember 1936 in demselben Saal mit der ersten und bisher einzigen Aufführung seiner neunsätzigen Toccata Seconda (1933–34).

Sein Vater hinterließ ihm ein ausreichendes Einkommen; so brauchte er niemals mit seiner Musik Geld zu verdienen, wobei es ihm ein leichtes gewesen wäre, eine Karriere als Konzertpianist zu machen, wie die folgende Passage seines Freundes, dem Komponisten Erik Chisholm (1904–65), über die Uraufführung des Opus Clavicembalisticum zeigt:

„In dieser Zeit war Sorabji ein sagenhafter Pianist, und seine Interpretation dieses erstaunlichen Werkes war ebenso überraschend wie seine Virtuosität. Zu dieser Zeit spielte er mir auch alle seine Klavierwerke mehrmals vor. Ich glaube, daß unter anderen Umständen, z.B. wenn Sorabji seinen Lebensunterhalt als Musiker hätte selbst verdienen müssen, er mit Leichtigkeit einen sensationellen Erfolg als Konzertpianist erlangt hätte; seine Aufführungen vor 35 Jahren waren geradezu schwindelerregend.“

Im selben Aufsatz weiter oben schrieb Chisholm vorausschauend:

„… der ausgezeichnete und berühmte englische Pianist, John Ogdon, hat tatsächlich das gesamte Werk privat gespielt und ist insgesamt all seinen enormen technischen und gestalterischen Anforderungen gewachsen. Wenn Sorabji einem Pianisten von Ogdons Fähigkeiten die Erlaubnis geben würde, seine Musik aufzuführen, könnte es leicht zu einer öffentlichen Würdigung seiner Musik kommen.“