Kevin Bowyer (German translation by Wolfgang Kleber): Sorabji’s Organ Symphony No. 1 (4/9)

Trotz des beachtlichen Drucks, den seine Freunde auf Sorabji ausübten, verweigerte er jede Öffentlichkeit für sein Werk. Es wurden im Vorschläge gemacht, daß er wenigstens selbst einige Aufnahmen machen sollte. Zuerst verweigerte der Komponist auch dies, war aber schließlich einverstanden, nachdem ihm dreiundzwanzig seiner engsten Freunde einen gemeinsamen Brief überreichten. Einer von ihnen, Frank Holliday, machte eine Bandaufnahme, und Sorabji, der die Tonbandmaschine haßte, spielte zwischen 1962 und 1968 etwa zehn Stunden mit seiner Musik ein. Diese Aufnahmen waren nur für den eigenen Gebrauch bestimmt; dennoch wurden einige von ihnen in den USA gesendet.

1972 lernte Sorabji den Mann kennen, der in seinen letzten Lebensjahren sein bester Freund wurde: Alistair Hinton. Es war ein Zusammentreffen von höchster Bedeutung, und es ist Hintons Einfluß zu verdanken, daß das Aufführungesverbot aufgehoben wurde. Sorabjis „Granit-Turm“ hatte ein kleines Loch bekommen, und 1976 wurden von Yonty Solomon und Michael Habermann einige Werke aufgeführt. Yonty Solomon spielte unter anderem die phänomenale Dritte Klaviersonate aus dem Jahr 1922. Jane Manning erhielt die Erlaubnis, einige Lieder aufzuführen. Im Rahmen des Holland Festivals 1980 spielte Geoffrey Douglas Madge die erste moderne Aufführung der ersten zwei Sätze des Opus Clavicembalisticum; eine komplette Aufführung folgte 1982 in Utrecht und danach in mehreren Ländern. Nach und nach erhielten verschiedene Musiker die Aufführungserlaubnis: Ronald Stevenson, John Ogdon (der in England die erste komplette Aufführung des Opus Clavicembalisticum in der Queen Elizabeth Hall am 14. Juli 1988 spielte) und ich selbst. Seit dem Tod des Komponisten haben einige wenige andere Musiker tiefergehendes Interesse gezeigt, unter anderem die Pianisten Marc-André Hamelin, Donna Amato und Carlo Grante. Mehr und mehr zeigen sich auch Musikstudenten interessiert, Sorabjis Werke aufzuführen.

Sorabji lebte in Frieden und Zurückgezogenheit in „The Eye“, bis sich seine Gesundheit 1986 schnell verschlechterte. Mit der Hilfe einiger guter Freunde fand er seinen Weg in ein passendes Pflegeheim in Winfrith Newburgh, Doset. Dort hatte ich im Januar 1988 das Privileg (das Wort „Privileg“, glauben Sie mir, ist in diesem Fall untertrieben) ihn aufsuchen zu dürfen. Ich hatte im Sommer davor die Erste Orgelsymphonie gespielt, und es ist nicht zu viel, wenn ich sage, daß die Beschäftigung mit diesem Werk mein Leben verändert hat — es ist nicht möglich, Sorabji zu spielen und dabei derselbe Mensch zu bleiben. Ich kannte Sorabji bereits durch seine Musik — ich wußte, er war ein Genie. Ihn selbst zu treffen, konnte diesen Eindruck nur noch verstärken. Obwohl bei unserer Begegnung relativ wenige Worte gewechselt wurden, kann ich sagen, daß die wenigen Stunden in Sorabjis Gesellschaft die wichtigsten in meinem Leben waren. Insgesamt besuchte ich ihn fünfmal. Er starb friedlich am 15. Oktober 1988. In einem Nachruf von Alistair Hinton lesen wir:

„Persönliche Zurückgezogenheit, eine ruhige und passende Atmosphäre für Leben und Arbeit waren eine selbstbezeugte Manie Sorabjis. Und es hätte ihm überhaupt nichts ausgemacht, alleine glücklich zu sein. Ich bin dennoch nicht der einzige, der sagt, daß seine Wärme, seine geistige und materielle Großzügigkeit, sein Witz, seine Gastlichkeit und reine fürsorgliche Freundlichkeit in solcher Fülle vorhanden waren, wie ich es noch bei keinem anderen Menschen erlebt habe.“

Hugh MacDiarmid (Christopher Murray Grieve) schrieb in seinem Buch The Company I’ve Kept ein Kapitel über seinen Freund Sorabji:

„Für mehr als die Hälfte meines Lebens ist es eine immerwährende Quelle der Ermutigung für mich, wenn ich an Sorabji denke: Unerschütterlich, unergründlich, in der Welt und doch nicht in ihr, still unter den Qualen, die uns befallen, mit einem beständigen Zentrum, mit einer einzigartigen Inspiration, mit festen Grundlagen; Mit welch großer Willenskraft, unvorstellbarer Disziplin, Mut und Ausdauer, Selbstreinigung und Geringschätzung menschlicher Bedürfnisse, unnachgiebig und unerbittlich? Es wird immer wichtiger, im Interesse aller Menschen Männer zu finden, die all das ablehnen, was alle anderen denken, die beständig wie Stein sind, elementar für die Welt, untrennbar von ihr, und allen anderen Lebensgewinn zurückweisen. Ein großes Werk kann nicht damit kombiniert werden, sich der Menge hinzugeben.“